Christiana Reemts OSB

Über das Buch Ein säkulares Zeitalter von Charles Taylor

Wenn ich mich mit Menschen unterhalte und über meinen Glauben spreche, ernte ich oft höfliches Schweigen und spüre: Was für mich das Wichtigste ist, das ist für sie so plausibel wie für mich Tischerücken, Eingeweideschau oder Horoskope. Selbst bei Christen spüre ich, dass sie meinen Glauben und vor allem meine Lebensform reichlich übertrieben finden. Aber gut, wenn ich das schön finde, soll ich es ruhig tun... Dann wieder lese ich die Kirchenväter, einen Origenes, Augustinus, Benedikt oder auch mittelalterliche Autoren wie Bernhard oder Thomas von Aquin, und ich staune über die Gewissheit ihres Glaubens, darüber, wie nah Gott ihnen ist, wie gegenwärtig in allem, was sie tun. Und ich selbst? Ich gehöre beiden Welten an oder auch keiner; ich lebe mit den Kirchenvätern und weiß gleichzeitig als Mensch des 21. Jahrhunderts nicht nur theoretisch, dass man auch nicht glauben kann.

Aus Erbe und Auftrag 1/15, Seite 68-70

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