Fidelis Ruppert OSB

Die Erfahrung der „Zelle“ als geistlicher Weg

Anregungen aus dem frühen Mönchtum

Viele Gefängnisse sind in ehemaligen Klöstern untergebracht. Das ist kein Zufall. In Klöstern gibt es viele Einzelzellen, es gibt Gemeinschaftsräume, besondere Räume für Werkstätten, es gibt den Garten, und schließlich eine Klostermauer, die schützt und zusammenhält. Aus Klosterzellen, aus Mönchszellen sind Gefängniszellen geworden, weil das einfach vom Baulichen her praktisch war. Und nur im Kloster und im Gefängnis werden Wohnräume als „Zelle“ bezeichnet. Es gibt aber auch eine geistliche Beziehung zwischen Kloster und Gefängnis. Von der Frühzeit des Mönchtums bis ins hohe Mittelalter hinein, haben die Mönche das Kloster u.a. auch als Gefängnis bezeichnet: monasterium carcer – das Kloster als Gefängnis oder die Einsiedlerzelle als Gefängnis. Nicht, weil man da gegen seinen Willen eingesperrt worden wäre, sondern weil man sich freiwillig an einen Ort bindet. Das Kloster als „offenes Gefängnis“ ist ein Ort, wo jemand sich freiwillig einsperrt, auf den jemand sich festlegt, um dort zu bleiben, um auszuhalten, um sich selber auszuhalten.

Aus Erbe und Auftrag 2/14, Seite 178-188

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